Wir haben den Theaterförderstellen von Stadt und Kanton Zürich ein fundiertes und wohlüberlegtes Projekt unterbreitet und ein umfangreiches und informatives Produktionsdossier dazu eingereicht. Die Unterlagen geben einen umfassenden Einblick in das Stück und beschreiben das Vorhaben der geplanten zwölfstündigen Theaterreise auf den Spuren des Kreis-Cheib-Romans «Die Kranzflechterin» von Hugo Loetscher durch die Stadt Zürich im Mai und Juni 2024 allumfassend. Im Mittelpunkt unserer Bearbeitung des Romans steht eine eindrückliche, emanzipierte und pragmatische Frau: Die Kranzflechterin Anna. Vom Konzept her haben wir, basierend auf den Erfahrungen der Theaterreise «alles in allem 2019», eine Veranstaltung geplant, bei der vielschichtige Aspekte der Stadt- und Naturwahrnehmung, der sozialen urbanen Schichtung, wie auch der Nachhaltigkeit und Ökologie zentrale Bedeutung zukommt. Alles in allem ist es ein Text, der zündet, den wir in gekürzter Form ohne Überschreibungen im Original vorstellen wollten, weil Loetschers Fabulierkunst und Schreibstil zur Darstellung kommen sollen und sein kleiner Roman dem Publikum viel eigenen Raum für aktuelle und kontroverse Fragestellungen lässt. Themen wie Diversität, Inklusion, Vielfalt, Migration, Heterogenität, Differenz, Partizipation, Chancengleichheit, Kreativität sind im Werk angelegt, wenn auch in der Sprache der 1960er-Jahre nicht explizit so benannt. Loetschers Kranzflechterin Anna ist ein Plädoyer für selbstbestimmtes Leben. Wir haben diese Mündigkeit auch bei unserem Publikum vorausgesetzt, das auf der historischen Folie des Romans die Verbindung zu Gegenwartsthemen herstellt. Seit jeher gilt unser Interesse der Sprache, und wir wollten dementsprechend an einen etwas vergessenen, nichtsdestotrotz aber grossen Autor erinnern, der immer wieder in seinen Werken der Stadt Zürich Referenz erwies und mit der Kranzflechterin ein kleines Werk geschaffen hat, das – wenn wir gegenüber Drittpersonen von unserem Projekt erzählten – bei Vielen eine grosse Begeisterung auslöste. Für manche war der Roman ein Lieblingsbuch und daran zu erinnern ein Herzenswunsch und der Zeitpunkt im Jahre 2024 ideal gewählt: 95. Geburtstag und 15. Todestag von Hugo Loetscher, 60 Jahre Erstveröffentlichung im legendären Arche Verlag von Peter Schifferli, der den für die Schweizer Literatur bedeutenden Verlag 1944 gründete.
Die städtischen und kantonalen Förderstellen haben nun aber unser Unterstützungsgesuch in Gesamthöhe von CHF 130’000.– abgelehnt. Der Betrag wäre für die weitere Geldsuche substanziell gewesen und hätte gegenüber privaten Kulturförderstellen eine Art Gütesiegel dargestellt. Nachdem diese Unterstützung nun aber ausbleibt, haben wir uns entschlossen, das Projekt aufzugeben. Ob wir 2024 ein kleineres Format ins Auge fassen, ist zurzeit offen. Wir danken allen, die an unser Vorhaben geglaubt und es mit Rat und Tat unterstützt haben. Zwar findet die geplante Theaterreise nicht statt, das Buch aber kann über Ihre Buchhandlung beim Diogenes Verlag bestellt werden. Wir sind traurig, aber auch dankbar über viele schöne Begegnungen und für das Privileg, dass wir uns intensiv mit einem spannenden und vielschichtigen Werk beschäftigen durften.
Peter Brunner und Wolfgang Beuschel
Kurzfilme zu «Die Kranzflechterin 2024. Ein Stadt-Theater
Folge 1: Die Sihl
Folge 2: Der Proletarierkranz
PDF Produktionsdossier (gekürzte Fassung | 1. Teil)
«Von der Zinne aus sah Anna auf Zürichs Dächer, sah die türmereiche Stadt, das Wolkengeball über den Spitzhauben des Grossmünsters, aber die Lanzen des dicken Peters und des Fraumünsters vermochten nichts gegen den Wind, der über die Spitzen Wolken schmierte. Die Dächer kauerten gegeneinander, die Balkone klammerten sich an die Hausmauern, alle Schornsteine standen verloren, und aus den Ziegeln guckten die Glasaugen der Dachluken halbgeschlossen. Anna lehnte sich ans Geländer und gab sich dem Wind hin.»
Hugo Loetscher, Die Kranzflechterin